Seeluft by Dönhoff Friedrich

Seeluft by Dönhoff Friedrich

Autor:Dönhoff, Friedrich [Dönhoff, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kriminalliteratur
ISBN: 9783257602852
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2015-01-06T05:00:00+00:00


[194] Im Schatten eines riesigen Baums liegt der Junge eingewickelt in einer großen Decke auf einem Liegestuhl. Auf dem Schoß hat er ein Tablett, und darauf steht ein bunter Eisbecher. Die Kamera schwenkt hoch, wo weiße Wölkchen an einem strahlend blauen Himmel stehen. Dann schwenkt die Kamera wieder auf den Jungen, der eben gekleckert hat und verwundert auf das Schlamassel blickt. Eine ältere Frau kommt hinzu, wechselt das Lätzchen und streicht dem Jungen über die Stirn.

[195] 37

Ein Schrei, ein fürchterlicher Schrei hatte ihn geweckt. Etwas zwischen dem Kreischen einer Säge und dem hohen Schrei eines Kindes. Es kam Sebastian vor, als hätte jemand nach ihm gerufen. Doch es war ein Traum. In der Stille wirkte der Schreck in ihm nach.

Sebastian suchte nach seinem Handy und fluchte. Es war kurz nach Mitternacht, und er war doch mit Jens und Pia im Club verabredet, zur Feier des gelösten Falls. Sebastian schaute an sich herunter. Er hatte sich angezogen aufs Bett gelegt und musste eingeschlafen sein. Rasch tauschte er den Pullover gegen ein T-Shirt und zog sich eine andere Hose an. Wenn er schnell ging, waren es bis zum Club in St. Pauli nur zwölf Minuten.

Touristen schlenderten mit großen Augen auf dem Bürgersteig entlang. Polizisten zeigten an beinahe jeder Querstraße Präsenz – in der vergangenen Nacht war es an der Reeperbahn wieder zu einer Messerstecherei gekommen. Trotzdem war St. Pauli beliebt. Neben dem großen Musicaltheater, in dem Sebastian einmal ermittelt hatte, gab es kleinere Theater, Restaurants, Kneipen und Clubs. Im Lagerhaus legte heute eine Frau aus Berlin auf, eine der angesagtesten D-Janes Europas, wie Jens behauptet hatte.

[196] Der Club war voll, Sebastian kam nur langsam durch. Doch er mochte die stickige Luft und die Enge solcher Lokale. Die Gesichter, an denen er sich in den Gängen und am Rand der Tanzfläche vorbeidrängelte, waren offen für einen Gruß, ein Augenzwinkern, ein Weg- und wieder Hingucken. Er wollte sich einfach nur bewegen, immer weiter bewegen.

An der Tanzfläche schlug die Musik mit hartem Rhythmus aus riesigen Lautsprechern. Silhouetten zuckten im flackernden Licht. Sebastian stieg ein. Der sanft-dumpfe Bass durchdrang seinen Körper, löste die Gedanken. Es war befreiend.

Er schaute hinauf zum DJ-Pult, hinter der die Frau aus Berlin mit den Kopfhörern stand. Es hatte etwas Erotisches, fand er, wenn es eine Frau war, die die Bässe durch den Raum jagte.

Irgendwann ging er die Treppe hinauf in den oberen Teil des Clubs. Hier war es ruhiger, der Rhythmus weicher. Ähnlich wie im Wohnzimmer von Constanze Keilenweger, dachte Sebastian. Und sofort war das Bild wieder da: die Leiche auf dem Kopfsteinpflaster. Sebastians Gedanken begannen wie automatisch die Menschen zu umkreisen, die mit dem Fall Keilenweger in sein Leben getreten waren: Constanze Keilenweger, Tochter Gesa, Sohn Henning, die Leute in der Reederei, die unsichtbaren Öko-Aktivisten. Sebastian fühlte es auf einmal ganz deutlich: Bei den Ermittlungen war irgendetwas im Verborgenen geblieben.

Der Raum führte zu einer großen Terrasse. Am Geländer stand Jens und unterhielt sich mit einer Frau. Sie [197] trug eine Bluse, die aussehen sollte, als wäre sie gedankenlos übergestreift worden, aber der Stoff glitzerte dafür zu sehr.



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